Die Jahresfahrt der DFG Recklinghausen vom 22. bis 24. September 2023 führte erstmalig nach Compiègne, einer Kleinstadt an der Oise, ca. 80 km nördlich von Paris in der Picardie gelegen und seit 2014 Teil der neugebildeten Region Hauts-de-France.
Selbst für Teilnehmer mit großer Reiseerfahrung im Hexagone, so ergab eine kurze Umfrage im rollenden Reisebus, bedeutete diese Destination eine Premiere. Bekannt allerdings ist Compiègne im Zusammenhang mit dem Ersten und Zweiten Weltkrieg.
Was die Stadt darüber hinaus zu bieten hat, hatte Vorstandsmitglied Françoise zu einem Programm zusammengestellt, das zu absolvieren in vieler Hinsicht ein Genuss wurde, sei es bei den geführten Spaziergängen durch die Altstadt und die großartige Schlossanlage, sei es bei den ausgesuchten Restaurants, die Gastlichkeit und Köstlichkeiten boten. Ein kulinarischer Höhepunkt sicherlich die ausgiebige Mittagstafel im Waldrestaurant bei loderndem Kaminfeuer am Sonntagmittag.
Beim Stadtspaziergang am Samstag mit einer einheimischen Gästebegleiterin erfuhren wir aus erster Hand auch lokale Besonderheiten, die nicht in jedem Reiseführer nachzulesen sind. Beispielsweise, dass Compiègne einmal im Jahr zum Mekka der französischen Hubertusjünger wird. Mehrere hundert Jäger versammeln sich in der Stadt, am Schloss und im unmittelbar angrenzenden Wald. Zu diesem Ereignis erscheinen ebenfalls, in ungefähr gleich großer Anzahl, die Jagdgegner.
Das Schloss wiederum gehört mit den Schlössern von Versailles und Fontainebleau zu den königlichen, später gar kaiserlichen Schlossanlagen, deren Architektur, Geschichte und heutige Musealisierung von der UNESCO mit dem Siegel des Weltkulturerbes ausgezeichnet wurden. Einen Gutteil des Samstagnachmittags lang besichtigten wir die Gemächer und ließen uns die Baugeschichte erzählen. Ludwig XVI. ließ das Schloss umfangreich erweitern und einrichten. Bezogen hat er es nie. Mit der Fertigstellung 1789 brach die Revolution aus. Später wird Napoleon Hausherr. Arbeitszimmer und Schlafräume sind zu besichtigen. Auch Napoleon III. hielt gerne Hof in Compiègne. Die Ausstattung der Säle und das Mobiliar zeigen Stil und Geschmack der jeweiligen Epoche. Sehenswert!Ebenso einen Besuch wert war uns das Schloss von Pierrefonds am Sonntagmorgen, in seiner jetzigen Gestalt im Wesentlichen ein Werk des 19. Jahrhunderts. Hier verwirklichte der Denkmalschützer und Architekt Eugène Viollet-le-Duc seine Vorstellungen von einer mittelalterlichen Burganlage. Schon der bayerische König Ludwig II. hatte diese Anlage besucht und vielleicht Inspiration für seine Schlossbauten gefunden
Bereits am Freitag hatten wir uns mit der deutsch-französischen Geschichte beschäftigt. Die erste Station unserer Reise war nämlich eine Lichtung im Wald von Compiègne. Dort, in einem Eisenbahnwaggon, unterzeichneten General Ferdinand Foch, Oberkommandierender der alliierten Truppen, und Staatssekretär Matthias Erzberger als Bevollmächtigter der Reichsregierung den Waffenstillstand, der den Ersten Weltkrieg beendete. Kein Militärangehöriger hatte sich dazu bereitgefunden.
Drei Jahre später wurde Erzberger deswegen von der rechtsterroristischen Organisation Consul ermordet. 1940, nach Frankreichs Niederlage, mussten Vertreter Frankreichs zurück in diesen Waggon und die Urkunde zur Kapitulation unterschreiben, ein Akt der Revanche der Nationalsozialisten.
An diese und weitere Zusammenhänge wurden wir bei einer Führung über die Gedenkstätte und durch das dortige Museum erinnert. Der „Wagon de l’Armistice“, in dem die Unterzeichnung stattfand, ist dort als Nachbau zu sehen. Der ursprüngliche Speisewagen ist als Konferenzraum ausgestattet inklusive zweier Arbeitsplätze für Telegrafisten.
Diesen Gedenkort wählten Emmanuel Macron und Angela Merkel 2018, hundert Jahre nach dem Waffenstillstand von 1918, zu einem Treffen und enthüllten eine Plakette, mit der seitdem an diesem Ort auch auf die Bedeutung der deutsch-französischen Aussöhnung für Europa hingewiesen wird.
Fotos: DFG Rainer Lewe