Unter diesem Arbeitstitel hatte die Deutsch-Französische Gesellschaft in Zusammenarbeit mit der VHS Recklinghausen am Mittwoch, den 19. März 2025 zu einem Vortrag mit anschließender Diskussion eingeladen.
In Folge des Wahlerfolgs der rechtspopulistischen RN unter der Führung von Marine Le Pen bei den vorgezogenen Wahlen zum Abgeordnetenhaus im Frühsommer 2024 schien es geboten, das Thema auf die Tagesordnung zu setzen und mit Dr. Charrier stand ein ausgewiesener Fachmann der politischen Landschaft Frankreichs als Referent zur Verfügung, dem es gelang, nicht nur die aktuelle Entwicklung der Politik des Nachbarlandes, sondern auch die Stimmungslage des Wahlvolkes pointiert darzustellen.
Und so konnte das mehr als siebzigköpfige Auditorium sich noch einmal bestätigen lassen, dass die Entscheidung zu Neuwahlen zur Assemblée ein Alleingang des Präsidenten war, dass die Französinnen und Franzosen nicht bereit seien, der RN die Mehrheit zu geben, und dass die Bildung der NFP auf der Linken möglich wurde.
Letztlich ging es Charrier ausdrücklich auch darum, mögliche Szenarien künftiger Entwicklungen zu skizzieren. So fiel es ihm nicht schwer, Frankreich noch einige Zeit politischer Instabilität zu prognostizieren angesichts der Dreiteilung der neugewählten Assemblée Nationale in die drei Blöcke der NFP (Nouvel Front Populaire) unter Mélenchon auf der Linken, dem RN (Rassemblement National) auf der Rechten und dem Bloc Central, der die Präsidentenliste einschließt, die abgeschlagen bei 15 % landete. Damit werde Präsident Macron in diesem Haus keine Mehrheit zusammenbekommen, zumal, so führte der Referent aus, Koalitionsbildung nicht in der französischen politischen Tradition liege. Kompromisse zu schließen bedeute in Frankreich, sich zu kompromittieren.
Frühestens am 7. Juli des laufenden Jahres, das heißt ein Jahr nach der letzten Auflösung, wäre eine Auflösung zugunsten einer Neuwahl des Parlaments möglich. Der mögliche neue Vorsitzende des RN – zum Zeitpunkt des Vortrages stand der Urteilsspruch in Sachen falsch deklarierter Beschäftigungen der Mitarbeiter der Parteichefin Le Pen noch aus – habe bereits angekündigt, „auf den roten Knopf zu drücken“, das heißt, eine Mehrheit gegen den Präsidenten zustande zu bringen, um ihn zum Rücktritt zu zwingen. In dem Szenario würde auch der Chef der LFI auf den Gewinn der Präsidentschaftswahl hin taktieren. Vielleicht ebenso erfolglos im Ausgang wie die rechte Kandidatin, die sich vor dem Urteilsspruch in ihrem Prozess an der Behauptung aufrichtete, dass es „kein Richter wagen wird, Frankreich eine Präsidentschaftskandidatin zu rauben.“ Eine Annahme, die sich mittlerweile als falsch erwiesen hat.
In der anschließenden Diskussion ging es u.a. um Rolle und Selbstverständnis der Parteien im Nachbarland, um den zunehmenden Einfluss der sozialen Medien in der politischen Meinungsbildung und die Frage, ob durch eine frühzeitig einsetzende politische Bildungsarbeit dem Populismus jeglicher Form Einhalt geboten werden könnte. Die Antwort fiel eher skeptisch aus.