269 Räume, 8100 m² Wohn- und Nutzfläche, ein 28 ha großer Park – so baute Alfred Krupp zwischen 1870 und 1873 sein Domizil, die Villa Hügel. Wer sie heute besucht, ist beeindruckt von den Dimensionen des Hauses und vielleicht ein wenig befremdet von der Kühle der riesigen Räume.
Ganz anders präsentiert sich Schloss Landsberg, der ehemalige Stammsitz der Herren von Landsberg, seit 1903 die Villa des Firmengründers August Thyssen, ebenfalls auf den Ruhrhöhen gelegen, nicht weit von der Villa Hügel entfernt.
30 Jahre nachdem Krupp seine Villa Hügel fertiggestellt hatte, zog August Thyssen in den ehemaligen Stammsitz der Herren von Landsberg.
Zuvor hatte der neue Hausherr das Anwesen grundlegend renovieren und umbauen lassen.
Heute dient Schloss Landsberg als Tagungs- und Gästehaus der Firma Thyssen-Krupp und ist damit der Öffentlichkeit in der Regel nicht zugänglich. Wer die „Thyssen Villa“ jedoch besuchen kann, ist beeindruckt von der gut erhaltenen und aufwändig restaurierten Einrichtung und der angenehm wohnlichen Atmosphäre des Hauses.
Wir hatten als angemeldete Gruppe die Möglichkeit, Schloss Landsberg im Rahmen einer Führung zu besichtigen – eine Gruppe in deutscher Sprache, eine in französischer Sprache. (August Thyssen selbst sprach übrigens unter anderem auch fließend Französisch.)
So bot sich uns die einmalige Gelegenheit, uns von der Gestaltungsvielfalt der Einrichtung zu überzeugen. Bei der Führung durch die größtenteils in ihrer Originaleinrichtung erhaltenen Räume wurde uns August Thyssens Liebe zur historistischen Mischung verschiedenster Stile erläutert. Uns wurde seine Liebe zur Bildhauerei, insbesondere zu August Rodin vor Augen geführt ebenso wie seine Begeisterung für die „Art nouveau“, von der das imposante Badezimmer im Jugendstil zeugt, das Thyssen bei der Pariser Weltausstellung 1900 bewundert und umgehend für Schloss Landsberg erworben hatte.
Die Einrichtung des Hauses hat etliche außergewöhnliche Einzelobjekte vorzuweisen. Um nur zwei Beispiele zu nennen: Thyssens Lieblingssessel, auf dem er bei kleinen Gesellschaften bei Tisch präsidierte (im Originalzustand) und der ihn etwas größer erscheinen ließ, als er tatsächlich war, oder etwa das Geschenk zu seinem 80. Geburtstag, ein besonderer Sekretär, der mit Bildern und Miniaturskulpturen geschmückt die Entwicklung der Fabrikanlagen der Thyssen-Werke dokumentiert.
August Thyssen starb 1926 auf Schloss Landsberg, 39 Jahre nach Alfred Krupp. Krupps Grab befindet sich heute auf dem Bredeneyer Friedhof, wohin die Familie 1955 vom Kruppschen Friedhof an der Freiheit, unmittelbar südlich des Essener Hauptbahnhofs, wegen städtischer Baumaßnahmen „umziehen“ musste.
August Thyssen dagegen wurde auf Schloss Landsberg beigesetzt und ist dort geblieben – mit einem Besuch des Mausoleums endete die eindrucksvolle Besichtigung der Thyssen-Villa Schloss Landsberg in Essen-Kettwig. Innenaufnahmen im Schloss sind leider nicht gestattet, da es sich um Privatbesitz handelt.
Im Landhaus Knappmann in Essen-Kettwig setzten wir das Programm mit einem Abendessen in unterhaltsamer Runde fort.
Fotos: DFG Rainer Lewe